Elliot Ebhohinhem hat mit 18 Jahren Nigeria verlassen. Heute lebt er mit seiner Familie in Nandlstadt und arbeitet er erfolgreich als Maurergeselle in unserem Bauunternehmen. Er erzählt uns seine Geschichte, die auch ganz anders hätte verlaufen können.

Wir stehen vor einem gepflegten Mietshaus aus den 60er Jahren. Im Garten steht ein Trampolin. Der Rasen ist frisch gemäht. Man würde hier, mitten in der Hallertau, eher eine bayerische Durchschnittsfamilie erwarten als einen jungen Mann aus Nigeria mit seiner Frau und seinen drei Kindern. Elliot öffnet uns mit einem breiten Lachen die Tür und bittet uns ins Wohnzimmer.

Elliot Ebhohinhem, 28 Jahre, wohnt seit 2017 in Nandlstadt. Er wippt nervös mit seinem Fuß. Seine Lebensgeschichte möchte er uns heute erzählen. Wir haben ihn darum gebeten. Denn sie ist ungewöhnlich und doch stellvertretend für das Schicksal vieler Menschen. Wenn man so möchte, beginnt sie auf einem Boot auf dem Mittelmeer, drei Tage lang ohne Wasser und Toilette, und endet mit einem Handschlag mit dem bayerischen Ministerpräsidenten.

Alltag in Nigeria geprägt von Konflikten

Dazwischen liegen einige Stationen, die nicht unbedingt auf eine positive Perspektive hoffen ließen. Elliot wurde 1995 in Edostate /Nigeria geboren und ging dort zur Schule. Sein Vater verstarb 2007 und hinterließ die Familie in großer finanzieller Not. „Eine weiterführende Schule war nicht finanzierbar, Arbeitsplätze gibt es für junge Leute kaum“, erzählt Elliot. Über 60 Prozent der jungen Menschen haben keine Arbeit. Die Sicherheitslage ist nach wie vor sehr instabil. Immer wieder kommt es zu Verschleppungen und gewaltsamen Konflikten. Diese haben nicht nur wirtschaftliche Auswirkungen, sondern treffen vor allem die Kinder und Jugendlichen. „Viele junge Männer leben auf der Straße und verdienen ihr Geld mit Betrügereien.“ Elliot ist nicht stolz auf diese Zeit. „Es gab Schlägereien und wir haben viel Unsinn gemacht. Man hat so gut wie keine andere Wahl, wenn man überleben möchte.“ Ihm war bald klar, dass dieses Leben keine Perspektive bietet.

Flucht nach Europa

„Irgendwann hat mir Freund erzählt, dass er nach Europa gehen möchte.“ Elliot ist mitgekommen. Schleuser. Überfülltes Schlauchboot. Ankunft in Lampedusa. Wir kennen diese Schicksale aus dem Fernsehen. Wenn man sie von einem Betroffenen hört, versteht man erst wirklich, was es bedeutet. „Ich kann nicht schwimmen. Ich dachte mir, das wars. Und wenn ich überlebe, mache ich das Beste draus. Dann will es Gott so.“

Der 18jährige landet schließlich in Bologna. Ohne Geld und ohne Kontakte und ohne die Sprache zu sprechen. „Ich konnte schließlich bei anderen Nigerianern unterkommen. Ideal war das auch nicht. Ich habe mir ein ganz normales Leben ersehnt. Familie, Arbeit, Sicherheit.“ Die Caritas war schließlich eine hilfreiche Anlaufstelle. „Sie haben mir ein Zimmer vermittelt und ich bin dafür für einen Euro in der Stunde putzen gegangen. Während dieser Zeit habe ich auch meine jetzige Frau kennengelernt. Als sie schwanger war, haben wir uns entschieden, weiter nach Deutschland zu gehen. „Am 21.10.2015 sind wir in München am Hauptbahnhof angekommen. Den Tag werde ich nie vergessen.“

Eine neue Station auf dem Weg zu einem besseren Leben. Die junge Familie wurde in einer Flüchtlingsunterkunft in Freising untergebracht. Elliot war fest entschlossen, sich eine stabile Zukunft aufzubauen. Dass er hierfür Deutsch lernen muss, war ihm schnell klar. „Ohne Sprache geht es nicht. Ich habe alle Angebote genutzt und mich richtig reingehängt. Als ich 2017 dann nach Nandlstadt kam, hätte ich aber eher einen Bayerisch-Kurs gebraucht“, lacht er.

Ankunft in Nandlstadt

Nach einem Praktikum in einem Supermarkt reift der Gedanke, einen Handwerksberuf zu erlernen. Elliot brachte Erfahrung als Bauhelfer mit und bestärkt von seinem Lehrer an der Integrationsschule hat er sich schließlich beim Baugeschäft Georg Huber vorgestellt. „Ich habe es ganz pragmatisch gehandhabt und geschaut, welche Firma ich am besten erreichen kann. Damals hatte ich noch keinen Führerschein und ich kannte ja noch niemanden.“ In der Hausmehringerstraße traf Elliot dann schließlich auf den „großen Chef“ – so nannte er den Seniorchef. Dem war Elliot gleich sympathisch und auch der „junge Chef“ Georg Huber, hat ihm eine Chance gegeben. Zunächst als Praktikant, dann schließlich als Auszubildender. „Schon nach den ersten Praktikumstagen waren wir alle von Eliott begeistert und uns war klar, dass wir ihn unbedingt für eine Ausbildung zum Maurer überzeugen mussten“.

Die Ausbildung war eine Herausforderung. „Den praktischen Teil habe ich einigermaßen gut hinbekommen. Meine Kollegen waren nett und geduldig und ich habe mir viel abschauen können. Auch wenn ich Begriffe wie „Frosch“ (Gerät zum Schalung spannen), „Pariser“ (Abstandhalter für Wandschalungen) oder „Lettn“ (Dreck) erst lernen musste.“ An der Berufsschule in Erding zieht sich das Bayerische fort. Doch Elliot „gibt Gas“. Er hat mittlerweile zwei weitere Kinder und zu Hause ist es recht unruhig. Die Familie wohnt in der Zeit in einem viel zu kleinen Appartement in einer Gemeinschaftsunterkunft. Elliot nutzt die Pendelzeit im Bus, um zu lernen und vertieft auch vieles durch YouTube-Videos. Nicht viele glauben, dass er es schafft. „Ich bin ein eher ruhiger Typ. Viele aus meiner Klasse haben mir nicht zugetraut, dass ich die Ausbildung schaffe. Aber das hat mich eigentlich noch mehr angespornt. Und der Chef hat an mich geglaubt und mit mir geübt. Das hat mich sehr bestärkt!“

Für die Vorbereitung auf die Gesellenprüfung ist Elliot sehr dankbar

„Im Endeffekt hat er dann sogar besser abgeschnitten als manch einheimischer Azubi.“ Auch bei Georg Huber schwingt Stolz mit auf seinen Gesellen. „Mittlerweile mauert er auch Bögen komplett“, lacht er. Sein Gesellenstück war nicht ganz rund, aber die Gesamtbewertung hat gepasst. „Eine mega-Leistung!“ So sah das auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Dem durfte Elliot bei der Freisprechungsfeier (Übergabe der Gesellenbriefe) die Hand schütteln. „Was für ein Moment. Ich war so nervös und werde das nie vergessen. In dem Augenblick habe ich Gott gedankt für all das Glück in meinem Leben.“

Von Nigeria in die Hallertau
Ein bedeutender Augenblick. Elliot schüttelt Ministerpräsident Söder bei der Überreichung des Gesellenbriefs die Hand.

„Ich habe zwei Hände und zwei Füße und bin nicht dumm“

Man merkt, dass Elliot sehr gläubig ist. Er ist Protestant und war in seiner Heimat als Sänger und Organist aktiv. „Ich bete sehr viel. Und ich hoffe, dass auch die Zukunft noch leichter wird.“ Das vierte Kind ist unterwegs. Das Geld ist knapp. „Ich sehe es wie eine Leiter. Wir klettern Sprosse für Sprosse hoch. Tag für Tag. Ich bin gesund. Ich habe zwei Hände und zwei Füße und ich bin nicht dumm.“

Auf die Frage, was ihm am meisten geholfen hat in seinem Leben, antwortet er: „Ich sage immer: Hört genau hin. Entscheidet Euch für den richtigen Weg. Glaubt an Euch.“ Das gibt Elliot auch seinen Kindern mit. Die stecken zwischendurch immer wieder mal den Kopf ins Wohnzimmer. Elliot gibt ihnen deutlich zu verstehen, dass sie gehen sollen. Er ist ein strenger Vater. „Das hat mir auch nicht geschadet. Sie werden es immer etwas schwerer haben, aber es steht ihnen steht alles offen. Ich möchte, dass sie alle ihre Talente und Chancen nutzen.“

Was er denn vermisse. Er überlegt. Natürlich seine Familie. Seine Mutter hat er seit seiner Flucht nicht mehr gesehen. Und manchmal die Sonne. „Ich hasse kalte Füße“, lacht er.

Wir verabschieden uns. Die Kinder können endlich ins Wohnzimmer und winken uns fröhlich durch die Scheibe zu. Wir winken zurück. Eigentlich eine ganz normale Familie in der Hallertau.